Interview mit Bernadette Speicher
Bernadette Speicher arbeitet seit Januar 2019 als Koordinatorin für „Geschwister-Kinder“ und „Tatendrang Kinder“ beim Bunten Kreis Rheinland. Bei diesen Projekten geht es zum einen darum, Geschwistern von beeinträchtigten Kindern kleine Auszeiten zu ermöglichen, in denen es einmal nur um sie geht – zum anderen ist der Bunte Kreis Rheinland eine der wenigen Organisationen in der Region, die Ferien-Freizeiten auch für beeinträchtigte Kindern anbietet.
Bernadette, wo und mit wem hast Du denn Deine letzte Ferien-Freizeit verbracht?
„Ich komme gerade von einer einwöchigen Reise mit sechs geistig beeinträchtigten Kindern im Alter zwischen 11 und 15 Jahren aus Bad Segeberg. Wir haben in einer Jugendherberge gewohnt und wollten uns eigentlich die Festspiele anschauen. Die sind jedoch leider ausgefallen. Unser Alternativprogramm war aber auch toll. Wir sind an die Ostsee gefahren, waren auf einem Erdbeerhof und haben es uns einfach gut gehen lassen.“
Wie wichtig sind diese Auszeiten für die beeinträchtigten Kinder?
„Sehr wichtig! Diese Kinder kommen zu Hause viel weniger in Kontakt mit anderen Kinder. Sie treffen sich ja nicht einfach so mit Freunden – Freunde die diese Kinder haben, leben meist sehr weit verteilt. Unsere Ferien-Freizeiten sind generell für das ganze soziale Miteinander sehr wichtig. Hier lernen sie, sich mit anderen Kindern auseinanderzusetzen, ihre eigene Rolle noch einmal neu zu behaupten (ohne ihre Eltern) und Regeln zu befolgen.“
Was sind das zum Beispiel für Regeln?
„Jeder hilft mit! Den Tisch-Dienst müssen die Kinder selbst übernehmen – wir wischen ihnen nicht hinterher. Das bekommen die Kids auch super hin. Zusätzlich haben wir drei Regeln aufgestellt. Erstens: Wir bleiben als Gruppe immer zusammen. Zweitens: Wir bleiben friedlich und freundlich und drittens: Wir sind leise auf Indianerart (lacht). Bei sechs Kindern und Jugendlichen mit geistiger Beeinträchtigung wird es schon mal sehr laut ;-).
Was muss bei solchen Ferienfreizeiten besonders bedacht werden?
„Diese Kinder brauchen vor allem viel Struktur, um durch ihren Tag zu kommen. Ein Ausflugs-Angebot pro Tag genügt da völlig. Alles andere würde sie und uns überfordern. Wir haben immer zusammen gegessen, gespielt und Aufgaben untereinander aufgeteilt. So, wie man es in jeder anderen Gruppe auch tun würde.“
Wie viele von diesen Freizeiten bietet der Bunte Kreis Rheinland jährlich an?
„Wir versuchen für die Tatendrang-Kinder drei Reisen pro Jahr anzubieten. Darüber hinaus läuft momentan noch eine Ausflugswoche und zusätzlich bieten wir noch unsere Reitcamps an. In diesem Jahr also fünf Aktionen für die Kinder.“
Wie nehmen die Eltern diese Angebote wahr?
„Die Eltern sind in erster Linie dankbar für die kleinen Auszeit, die wir ihnen ermöglichen. Vor allem in diesem Jahr, wo Kinder coronabedingt nicht in die Schule gehen konnten, brauchen sie diese sehr. Wir hatte ein Kind dabei, welches seit einem halben Jahr nicht mehr unter Kindern war. Das ist für ein Kind mit oder auch ohne Beeinträchtig einfach Wahnsinn. Und für die Eltern natürlich auch.“
Ab welchem Alter können die Kinder an diesen Freizeiten teilhaben?
„Kleinere Ausflüge bieten wir ab 6 Jahren an, größere Reisen in der Regel ab 10 Jahren – das kommt natürlich ein wenig auf den Entwicklungsstand der Kinder an.“
Wie werden die Ferien-Freizeiten finanziert?
„Die Eltern zahlen einen kleinen Grundbetrag, die restlichen Gelder werden durch Spenden finanziert. Dank der großzügigen Unterstützung unserer Sponsoren können wir die Reisen günstiger anbieten als andere und generell gibt es ja kaum Angebote für beeinträchtigte Kinder.“
…und was war nun Dein schönstes Ferien-Erlebnis?
„Am Ende des ersten Abends haben wir nach der langen Autofahrt eine Traumreise gemacht. Alle sind dabei so richtig schön runtergekommen und wir fühlten uns sehr verbunden. Das war ein toller Auftakt für unsere Ferien-Freizeit.“