Trisomie 21

„Wieso sollte ich mich gegen dieses Kind entscheiden?“

Seit Juli 2022 wird der NIPT Test in bestimmten Situationen von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Dieser nicht invasive Pränataltest kann Hinweise auf die Trisomien 13, 18 und 21 beim ungeborenen Kind geben. Bei einem Verdacht ist zur sicheren Abklärung zusätzlich noch eine Fruchtwasseruntersuchung nötig. Auch Steffi und ihr Mann Christian machen beim zweiten Kind routinemäßig den NIPT-Test. Weil alle vorangegangenen Ultraschalluntersuchungen unauffällig sind, gehen sie unbedarft an diesen Test heran. Dieser und eine anschließende Fruchtwasseruntersuchung ergeben: Ihr ungeborenes Kind hat Trisomie 21. Was folgt, ist ein Wechselbad der Gefühle, denn eine ausführliche Beratung und Aufklärung seitens der ÄrztInnen findet zunächst nicht statt.

Können Sie sich noch an das entscheidende Untersuchungsgespräch erinnern?
Unser erstes Gespräch bei der Pränataldiagnostikerin verlief gar nicht gut. Sie sagte in etwa: „Überlegen sie sich, ob sie das Kind wirklich haben wollen. Sie haben doch bereits einen kleinen gesunden Sohn. Ein Kind mit Down Syndrom ist oft mit vielen Arztbesuchen verbunden.“ Mein Gefühl war, dass man uns überreden wollte, das Kind nicht zu bekommen. Nach dem Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung gab es ein weiteres Arztgespräch, das verlief sehr viel besser. Viel empathischer und aufklärender.

Wie ging es dann weiter?
Ich hatte mich eigentlich schon während der Fruchtwasseruntersuchung entschieden. Als ich auf dem Ultraschall gesehen habe, wie mein Kind am Daumen nuckelt, war für mich klar: Ich kann es nicht töten, und auch mein Mann hat gefragt: „Wieso sollte ich mich gegen dieses Kind entscheiden?“ Das Erstgespräch hatte uns verunsichert, aber innerhalb der nächsten zwei Wochen war uns klar: Wir wollen das Kind. Unsere Tochter Mia wurde in der 37. Schwangerschaftswoche in der Bonner Uniklinik per Kaiserschnitt geboren. Sie hatte ein kleines Loch im Herzen und musste, weil die ÄrztInnen mit der Sauerstoffsättigung nicht zufrieden waren, noch zwei Wochen länger in der Klinik bleiben. Wir sind täglich anderthalb Stunden pro Strecke gependelt, und unser Sohn war währenddessen immer bei den Großeltern. Das war schon eine sehr herausfordernde Zeit für uns alle.

Was war für Sie am Schwierigsten?
In der Tat die Mutter-Kind-Bindung. Ich war direkt nach der Geburt auf der normalen Station und Mia auf der Intensivstation. Somit fand am Anfang kaum körperlicher Kontakt statt. Ich hatte große Angst, in eine Depression hineinzurutschen und mein Kind nicht annehmen zu können. Aber als ich mich vom Kaiserschnitt erholt hatte und jeden Tag zu ihr konnte, entwickelten wir sofort eine starke Bindung. Sobald wir nach Hause kamen, wurde alles noch schöner. Sie und unser Sohn sind unser Ein und Alles.

Wie hat Ihr Umfeld reagiert?
Die Reaktionen seitens des Freundeskreises waren alle sehr positiv, eine Begegnung bei uns im Dorf hingegen habe ich in keiner guten Erinnerung. Mir wurde von einer Frau, die eigentlich keinerlei Berührungspunkte zu Kindern mit Behinderung hat, suggeriert, dass etwas sehr Anstrengendes und Schwieriges auf uns zukommt.

Was sind Ihre größten Sorgen?
Jetzt, wo Mia noch so klein ist, sieht man ihr die Behinderung nicht sofort an. Wenn Mütter dann zu mir sagen: „Ach, unsere Kinder sind ja gleich alt, dann werden sie zusammen eingeschult“, sind das Momente, die mich traurig machen, weil ich weiß, dass das vermutlich nicht passieren wird. Leider liegen Vorstellung und Umsetzung von Inklusion oft noch weit auseinander. Die allergrößte Sorge, die ich habe, ist: „Was ist, wenn wir mal nicht mehr da sind? Wird Mia je ein selbstbestimmtes, eigenes Leben führen können?“