320 Gramm sind eine Tasse Mehl oder anderthalb Stückchen Butter. 320 Gramm war das Gewicht von Elli, als sie auf die Welt kam. Markus und Jessica erzählen hier ihre bewegende Geschichte. Dabei ist es ihnen besonders wichtig, anderen Frühchen-Eltern zu sagen: „So schwer der Anfang auch sein mag, alles kann gut gehen“.
Wie begann Eure persönliche „Frühchen-Geschichte“?
Jessica: Die Schwangerschaft verlief anfangs unauffällig, doch ab einem gewissen Punkt hieß es, dass das Baby sehr klein sei. Das war zunächst noch nicht Besorgnis erregend, aber im Rahmen einer Pränataldiagnostik stellte sich eine Plazentainsuffiziens heraus und man sagte uns, dass das Kind so schnell wie möglich geholt werden müsse, da es nicht mehr ausreichend versorgt wird. Wir bekamen direkt eine Überweisung in die Uniklinik Köln.
Wie seid Ihr mit dem Wissen umgegangen, dass Euer Kind sehr viel früher geholt werden muss?
Jessica: Es war für uns ehrlich gesagt ein Schock. Bei der Erstuntersuchung in der Uniklinik schien zunächst einmal noch alles entspannt zu sein, aber als der Arzt den Ultraschallkopf ansetzte war plötzlich alles anders. Es wurde klar, Elli muss innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen geholt werden. Das war ein großer Schreckensmoment und der einzig schlimme Tag, an den ich mich erinnere.
Markus: Völlig abstrus war in dem Moment eigentlich nur das Gespräch mit dem Arzt, der uns zum damaligen Zeitpunkt immer noch in Aussicht stellte, das Kind abzutreiben. Er machte uns klar, dass es verschiedenen Ansätze und Typen von Eltern gäbe. Die einen sagen: „Wir wollen das Kind in jedem Fall bekommen“, die anderen: „Das ist uns alles zu gefährlich, wir brechen die Schwangerschaft ab.“ Wir sollten uns also überlegen, welchen Weg wir gehen wollen.
Jessica: Für mich was das unvorstellbar. Ich war im 7. Monat schwanger und dachte natürlich überhaupt nicht darüber nach, dass Abtreibung eine Option sei.
Markus: Es ist die Entscheidung über Leben und Tod und die will man als Mensch für niemanden treffen. Für uns war das der absolute Tiefpunkt. Wir hatten schon allen die Ultraschallbilder gezeigt, wir hatten ein Gesicht vor Augen und dann doch die Frage: „Was ist, wenn das hier schief geht“? Unser Vorteil war ein Termin mit der Leiterin der Neonatologie. Sie hatte ein ganz anderes Auftreten und vermittelte uns, dass sie uns zwar nichts versprechen könne und es immer Dinge gäbe, die nicht vorhersehbar seien, sie aber ein gutes Gefühl habe. Das machte uns Mut.
Wie haben Sie der Geburt erlebt?
Jessica: An einem Donnerstag wurden wir in der Uniklinik Köln aufgenommen und hatten die Vorbesprechung zum Kaiserschnitt. Dieser sollte innerhalb der nächsten Tage stattfinden. Ich wurde dann ans CTG angeschlossen und weil die Werte nicht eindeutig waren, wurde noch am gleichen Abend ein Notkaiserschnitt durchgeführt.
Markus: Elli ist dann mit nur 320 Gramm auf die Welt gekommen – ein Hauch von Nichts. Sie war so klein und ihr ganzer Körper war mit 26 Zentimetern nur wenig größer als meine Hand.
Wie ging es dann für Sie weiter?
Jessica: Wir haben sehr viel Glück gehabt. Wir waren insgesamt drei Monate im Krankenhaus, aber im Vergleich zu anderen, war unsere Geschichte wie ein Spaziergang. Elli hat von Anfang an selbstständig geatmet und von diesem Moment an war für uns klar: Das läuft. Bei so einem langen Krankenhausaufenthalt sieht man einige schwere Schicksale. Das einzige Problem, was Elli hatte, war eine kleine Wunde im Hals, weshalb sie für fünf Tage zwangsmäßig intubiert werden musste. Dagegen hat sie sich zwar vehement gewährt, aber das war alles an Komplikationen.
Markus: Was die Psyche belastet, ist eher das grundsätzliche Gefühl des „Nichtstun Könnens“. Man sitzt vor diesem Inkubator und fühlt sich wie bei Schneewittchen. Drinnen liegt die Kleine und schläft und man kann sie nicht einfach herausnehmen, wie man möchte. Natürlich haben wir mit ihr gekuschelt, aber das war immer eine geplante Aktion, nichts Spontanes.
Wie kam der erste Kontakt zum Bunten Kreis Rheinland zu Stande?
Jessica: Als es auf die Entlassung zuging, erfuhren wir vom Entlass Management von diesem Verein und dass wir ein Anrecht auf eine Nachsorgeschwester haben. Da wir nach drei Monaten Rundumversorgung im Krankenhaus noch nicht wussten, was zu Hause auf uns zukommt, haben wir das sehr gerne in Anspruch genommen.
Wie war es dann endlich wieder zu Hause zu sein?
Markus: Auf der einen Seite waren wir sehr erleichtert und glücklich, nach Monaten im Krankenhaus endlich einen Alltag zu Hause zu leben. Auf der anderen Seite war natürlich alles erst einmal fremd. Wir haben Elli auch an einen Monitor angeschlossen, weil uns alles ohne Überwachung zu gefährlich gewesen wäre.
Jessica: Ich war dieses Piepsen all der Geräte aus dem Krankenhaus so gewohnt, dass ich die Stille fast unheimlich fand. Ellis Monitor war für uns ein mentaler Back Up.
Worin hat Sie die Nachsorgeschwester am meisten unterstützt?
Jessica: Wir sind jetzt seit drei Wochen zu Hause und es gibt nach wie vor viele unterschiedliche Themen. Sie ist unsere Ansprechpartnerin Nummer eins und hat uns bei Themen wie Gewichtszunahme oder Trageberatung vollumfänglich unterstützt.
Markus: Sie kann uns die Sorge nehmen und jederzeit unserer Fragen beantworten. Man merkt, dass der Bunte Kreis Rheinland ein Verein ist, der viele Frühchen unterstützt, was ein großer Vorteil gegenüber einer „normalen“ Hebamme ist, die sich mit Frühchen vielleicht nicht so gut auskennt.
Jessica: Und außerdem ist es schön, wenn auch mal jemand von außen sagt: „Euer Kind entwickelt sich prächtig.“ Frühchen sind Überraschungs-Eier. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt, aber momentan sind wir sehr optimistisch.