„Wenn Menschen mir Dinge nicht zutrauen, bin ich genervt“
Anna ist 37 Jahre alt und wohnt in Leichlingen. Sie liebt Lasagne, den Herbst und die Farben rot und blau. Sie kann wunderbar Flöte spielen, reitet gerne und fährt gut Ski. Sie ist freundlich, offen, liebt Kinder und ist selten genervt. Außer, wenn man ihr Dinge nicht zutraut oder Vorurteile hat, denn Anna hat das Down-Syndrom.
Anna, wie sieht Dein typischer Tagesablauf aus?
Ich stehe um 6.30 Uhr auf, frühstücke und gehe anschließend eine Rund mit dem Hund. Danach fahre ich zur Arbeit in den Kindergarten. Schon als ich klein war, wollte ich Erzieherin werden, weil ich Kinder so liebe.
Im letzten Jahr warst Du als Betreuerin bei einer Ferienfreizeit vom Bunten Kreis Rheinland dabei. Wie war das?
Es war megaschön. Ein wenig anstrengend, aber toll. Am schönsten fand ich, dass ich einem Kind vorlesen konnte und dass wir im „Panoramapark“ waren. Ich will auf jeden Fall nochmal dabei sein.
Welche Reaktionen von anderen nerven Dich?
Wenn Menschen mir Dinge nicht zutrauen oder mich verwechseln.
Mutter von Anna:
Damit meint sie, dass Menschen mit Down-Syndrom untereinander häufig verwechselt werden. Wir haben hier in der Nachbarschaft eine andere junge Frau mit Down-Syndrom. Sie ist mindestens einen Kopf kleiner, hat eine ganz andere Statur, sieht völlig anders aus und benimmt sich auch anders. Wenn Anna dann mit ihr verwechselt wird, ist sie sauer. Das kann ich gut verstehen.
Anna:
… und die Leute wissen gar nicht, was man mit Down-Syndrom alles machen kann.
Mutter von Anna:
Anna kann so Vieles. Lesen, reiten, Ski fahren, wunderbar Flöte spielen…Viele Dinge sind aufgrund ihrer geringer ausgebildeten Muskulatur für sie viel anstrengender zu erlernen. Aber Anna war schon immer ehrgeizig. Sie hat mit fünf Jahren gesagt: „Ich will Fahrrad fahren lernen“ und hat es einfach gemacht. Ähnlich war es mit dem Schwimmen.
Macht Sie das als Mutter stolz?
Ich bin generell stolz auf meine Tochter. Das war ich schon immer. Schon als sie ganz klein war, fand ich sie einfach hinreißend.
Hat sich aus ihrer Sicht hinsichtlich der Akzeptanz im Vergleich zu früher etwas verändert?
Nicht so viel, wie wir uns erhofft hätten. Am Anfang, als Anna im Kindergartenalter war, hatte ich schon den Eindruck, aber das lässt jetzt leider wieder nach. Inklusion ist meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht rückläufig. Das bedrückt uns sehr. Bei vielen Themen denke ich: Das haben wir doch vor 30 Jahren schon diskutiert, muss das immer wieder sein? Es kommt aber auch viel zurück. Viele Menschen bringen uns sehr viel Offenheit und Interesse entgegen und sind dankbar, dass wir ihnen das Downsyndrom näher bringen.
Welche Träume hast Du Anna?
Ich würde gerne mal mit dem Pferd am Strand entlang galoppieren und bei meinen Freundinnen in Heidelberg wohnen.
Annas Mutter:
Anna lebt ja schon sehr autark. Sie hat über uns eine eigene Wohnung und bestimmte Aufgaben, um die sie sich kümmern muss. Sie macht ihren Haushalt größtenteils alleine, mit ein wenig Unterstützung, aber wir versuchen uns immer mehr rauszuziehen. Wenn ich mit meinem Mann in den Urlaub fahre, bleibt Anna auch mal ein paar Tage alleine.
Hatten Sie irgendwelche Erwartungen an ein Leben mit einem Down-Syndrom-Kind?
Ich wusste nicht, dass ich ein Kind mit Down-Syndrom bekomme. Das war auch gut so. Wir haben Anna so angenommen, wie sie ist und unsere Erwartungen wurden weit übertroffen. Dazu muss man sagen, dass wir natürlich großes Glück hatten, weil Anna keine zusätzlichen organischen Erkrankungen hatte, die häufig mit dem Down-Syndrom einhergehen. Anna hat sich super entwickelt und sich immer an „nicht behinderten“ Kindern orientiert. Ich werde oft von andern Eltern angesprochen, was ich da geleistet habe und ich sage immer: „Das habe nicht ich geleistet, sondern Anna“.