Rund 7.200 Patient*innen warten in Deutschland auf eine neue Niere. Bei Kindern beträgt die Wartezeit zwischen einem und vier Jahren. Eines dieser Kinder ist Marc. Er hat drei Brüder, sieben, sechs und vier Jahre alt. Er selbst ist erst ein Jahr alt, hat aber schon einen langen Leidensweg hinter sich. Bereits während der Schwangerschaft machte man Mutter Natalia wenig Hoffnung darauf, ihr Kind lebend zur Welt zu bringen.
Wann wurde klar, dass etwas mit Marc nicht stimmt?
Schon relativ früh in der Schwangerschaft. Als ich im vierten Monat war, sah man im Ultraschall, dass seine Blase stark vergrößert ist. Die Pränataldiagnostik bestätigte den Verdacht auf LUTO, eine Krankheit, bei der die unteren ableitenden Harnwege stark verengt sind. Viele Kinder mit dieser Diagnose sterben noch vor der Geburt. Auch uns wurde gesagt, dass Marc es nicht schaffen und innerhalb der nächsten Wochen sterben würde. Es wurden auch gar keine weiteren Pränatal-Untersuchungstermine mehr mit mir vereinbart.
Wie gingen Sie mit dieser Situation um?
Ich war sehr traurig, spürte aber, dass dieses Kind leben will. Es war ein auf und ab. Aber entgegen aller Mutmaßungen wuchs und entwickelte er sich. Das Ziel der Ärtzt*innen war es, ihn so lange wie möglich in meinem Bauch zu lassen und doch ging dann alles sehr schnell. Bei einer Untersuchung in der Uniklinik Bonn, sagte der Chefarzt plötzlich: „Wir holen ihn jetzt.“ Das traf uns völlig unvorbereitet und wir mussten erst einmal koordinieren, wer unsere anderen Kinder zu Hause betreut. Kurzzeitig sah es so aus, als könnte mein Mann aufgrund erhöhter Corona-Schutzmaßnahmen nicht bei der Geburt dabei sein. Das klärte sich zum Glück. Ohne ihn an meiner Seite hätte ich es nicht geschafft ein schwerkrankes Kind zur Welt zu bringen.
Durften Sie Ihr Kind nach der Geburt im Arm halten?
Nur ganz kurz. Schon nach wenigen Minuten wurde er auf die Frühchen-Intensivstation gebracht. Ihn dort verkabelt und umringt von so vielen Monitoren zu sehen war sehr schwer. Eine Diagnose jagte die nächste. Er bekam hohes Fieber, hatte einen Hodenhochstand, einen Leistenbruch, seine Blase war defekt und es hieß, eine Nieren funktioniere gar nicht und die andere arbeite stark eingeschränkt.
Wie geht es Marc heute?
Äußerlich sieht man ihm kaum etwas an, er ist ein fröhliches Kind und fängt gerade an zu krabbeln und die Welt zu erkunden. Aber er ist schwerkrank und wird künstlich über eine PEG-Sonde ernährt. Immer wieder müssen wir mit ihm in die Klinik. Er braucht dringend eine neue Niere und kommt nun auf die Warteliste.
Was ist für Sie das schwerste im Alltag?
Ich bin keine Krankenschwester, aber ich fühle mich mittlerweile so. Früher konnte ich kein Blut und keine Spritzen sehen, inzwischen bin ich ein Profi. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich kann nicht jedes Mal, wenn beispielsweise ein Katheder verstopft ist, anderthalb Stunden in das nächste Krankenhaus fahren. Dennoch komme ich auch immer wieder an meine Grenzen und habe das Gefühl, dass meine anderen Kinder zu kurz kommen. Eine Lehrerin meines ältesten Sohnes meinte letztens zu mir: „Sie müssen sich mehr Zeit für ihn nehmen.“ Da habe ich geweint. Manchmal bin ich am Ende meiner Kräfte. Ich komme selten aus dem Haus und mein Tag besteht aus Sonden legen und daraus zu versuchen, Marc Flüssigkeit zuzuführen. Das funktioniert nur Milliliter-Weise. Oft muss er sich danach erbrechen. Meine Kinder müssen und wollen mich bei vielem unterstützen. Wenn ich rufe: „Bitte die Kotzschale“, kommen sie damit angelaufen, denn in jedem Zimmer steht eine. Manchmal habe ich Angst, dass es das ist, was sie aus ihrer Kindheit behalten.
Welche Form der Unterstützung haben Sie erhalten?
Aktuell hilft uns der Bunte Kreis. Im Krankenhaus hatte ich Kontakt zum Bunten Kreis Rheinland und hier in Hamm zum Bunten Kreis Siegen. Zu wissen, dass ich mit meinen Fragen, Ängsten, Sorgen und Nöten nicht alleine bin, ist für mich eine unglaubliche Erleichterung. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Nachsorgeschwester getan hätte und bin sehr dankbar, dass es sie gibt.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Vor allem der Glaube an Gott trägt uns alle durch diese schwere Zeit. In der Bibel gibt es einen Psalm, der zutreffender nicht sein könnte: „Denn du hast meine Nieren gebildet; du hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter. Ich danke dir dafür, dass ich erstaunlich und wunderbar gemacht bin.“