Altenpflegerin Laura Schäfer ist im 5. Monat schwanger, als bei einer routinemäßigen Nachsorgeuntersuchung ein schwerer Herzfehler bei ihrem Kind festgestellt wurde. Der Schock der werdenden Eltern war riesig; ihre Angst vor der Zukunft mindestens ebenso groß. Meist telefonisch berät sie sich mit ihrem in Bayern stationierten Mann Kevin über die zwei Optionen, die ihnen von den Ärzten angetragen wurden. Eine riskante Operation gleich nach der Geburt oder der Tod des Kindes nach wenigen Tagen mit der Option einer Organspende. Ihre Entscheidung ist schnell gefallen, und Sohn Luca kommt am 10. Dezember 2015 in der Asklepios Kinderklinik in St. Augustin per Kaiserschnitt zur Welt. „Gott sei Dank gab es hier die Geburtshilfe noch, einen längeren Transport ins Kinderherzzentrum hätte Luca vermutlich nicht überlebt“ meint Mama Schäfer. Zu Beginn des Jahres 2017 wurde die Geburtsstation in dieser Klinik wegen Personalengpässen geschlossen.
Luca leidet an einem Hypoplastischen Linksherzsyndrom, also der unterentwickelten linken Herzkammer. Diese schafft es nicht mehr, Blut in die Hauptschlagader zu transportieren – es bestand Lebensgefahr für das bereits stark geschwächte Kind. Mit insgesamt drei Operationen planen die Ärzte, sein Herz-Kreislaufsystem so umzustellen, dass nur noch die rechte Herzkammer arbeitet.
Drei Tage nach seiner Geburt wurde Lucas Lungenschlagader künstlich verengt, um sein Herz zu entlasten. Danach verschlechterte sich jedoch sein Gesundheitszustand lebensbedrohlich; er blieb bis heute schwach und labil.
Nach wenigen Wochen nahmen die Ärzte die große Herz-Operation vor, für die Lucas Körpertemperatur runtergefahren werden musste und eine Herz-Lungen-Maschine zeitweise sein Weiterleben sicherte. Ganze acht Stunden bangten die Eltern um das Leben ihres Kindes. „Es war die reinste Hölle und das Schlimmste, was wir je durchgemacht haben.“ Lucas Herz schafft auch diesen Eingriff; den Eltern aber bietet sich ein grausames Bild auf der Intensivstation. Luca liegt – winzig klein – in einem riesigen Bett, seine kleinen Händchen und Füßchen sind festgebunden, er ist an unzählige Schläuche angeschlossen und sein Brustkorb ist geöffnet, damit das Herz Raum genug hat, auf seine eigentliche Größe zu schrumpfen.
Um dieses kleine Herz zu schonen, wird Luca wochenlang mit Schmerz-, Beruhigung- und Schlafmedikamenten versorgt. Und dann scheint es, als ginge dem kleinen Mann die wenige ihm verbliebene Kraft vollständig aus. Sein Herz schlägt nicht mehr, die Ärzte müssen ihn ganze zehn Minuten lang reanimieren; die Eltern gehen durch die Hölle. Vier Wochen später kann er endlich aus der Klinik nachhause entlassen werden– mit einer Sonde in der Nase, über den die Mutter ihn ernähren und mit den notwendigen Medikamenten versorgen kann sowie einem Monitor zur Überwachung seines Herz-Kreislauf-Systems.
Nachsorgeschwester Anja Gerz vom Bunten Kreis kannte Luca bereits aus der Klinik, hier war sie seine Kinderkrankenschwester. Sie betreute die Familie in den ersten Wochen zuhause, unterstütze die Mutter in allen Fragen der Ernährung und Pflege von, versuchte ihre Ängste und Sorgen aufzufangen und sich durch den Berg von Anträgen und Formularen für die Beantragung einer Pflegestufe, eines Schwerbehindertenausweises oder einem geeigneten Platz zur Physio- und Logopädischen Förderung von Luca zu finden.
Luca ist in seiner Entwicklung um einige Monate verzögert. Um diese zu fördern, besucht er nun regelmäßig Physiotherapeuten, Osteopathen und Logopäden. Wichtig ist jetzt die Entwöhnung von der Sonde hin zur oralen Ernährung. Er hat nie gelernt, mit dem Mund zu saugen oder gar zu kauen. Die Krankenkasse übernimmt lediglich die Kosten für eine stationäre Entwöhnung in einer Klinik in Deutschland. Direkt vor der Haustür aber könnte Dr. Markus Wilken die Krankenhausmüde Familie zuhause auf diesem Weg der Entwöhnung begleiten – eine Leistung, die die Krankenkasse nicht übernimmt, obwohl Wilken eine 90%ige Erfolgsquote vorweisen kann.
Familie Schäfer hat das Erlebte bis heute nicht wirklich aufgearbeitet – ein Trauma, dass ihnen tief in den Knochen steckt. Luca, der sich regelmäßigen Arztkontrollen unterziehen muss, schreit angesichts eines weißen Kittels. Sein Weg wird kein leichter sein; mit viel Förderung wird er halbwegs mit anderen Kindern mithalten, jedoch niemals ein Leistungssportler werden können. Stattdessen muss er sich alle 6 Jahre eine Herzkatheter-Untersuchung unterziehen und lebenslang blutverdünnende Medikamente nehmen. Und die nächste Herz-Operation ist bereits in der Planung, wenn er stabil genug und rund 15 Kilogramm schwer sein wird.
Mama Laura hat immer noch Schwierigkeiten im Umgang mit gesunden Kindern. „Es tut mir weh zu hören, wenn sich Mütter über Einschlaf- oder Verdauungsprobleme ihrer Kinder sorgen, während in meinem Kopf immer noch die Bilder von Luca mit geöffnetem Thorax sind.“ Es wird noch viel Zeit und wohl auch Hilfestellungen von außen benötigen, um aufzuarbeiten, was dieser Familie widerfahren ist.