Petition

zum Erhalt des Schulprojektes Diabetes-Schulungen

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Mitglieder des Nordrhein-Westfälischen Landtages,

wir, ein Zusammenschluss aus Kinder- und Jugendärzt*innen, Kinder- und Jugenddiabetolog*innen, Diabetesberater*innen sowie Eltern und Angehörigen von Kindern und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes mellitus wenden uns mit einer dringenden Angelegenheit an Sie, die uns in große Sorge versetzt.

Wir sehen die Inklusion der Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 in Schule und Kindergarten in Gefahr, da es zu einer Umstrukturierung der Organisation von Schulungs- und Eingliederungsmaßnahmen kommen soll. Konkret geht es um Pläne aus einem Referat des NRW-Ministeriums für Gesundheit, die bestehenden Versorgungsstrukturen aufzulösen und durch ein völlig neues Verfahren zu ersetzen. Dies wird aber von den kinderdiabetologischen Einrichtungen, Ärztinnen und Ärzten als qualitativer Verlust und bürokratischer Mehraufwand abgelehnt. Es droht, dass einige Einrichtungen das Verfahren gar nicht werden mitmachen können und aussteigen müssen.

Als besonders schwerwiegend wird die Auflösung der bisherigen Koordinierungsstelle für die Maßnahmen, ProKid e.V. gesehen, obwohl die bisherige inhaltliche Begleitung von Schulungen von Personal in Kitas und Schulen als absolut erforderlich angesehen wird. Über ProKid e.V. lief nicht nur die Beantragung und Abrechnung der Schulungsmaßnahmen und Klassenfahrtbegleitungen, sondern der landesweit vernetzt tätige Verein koordiniert und vermittelt seit Start des Projektes im Jahre 2019 auch Schulungsfachkräfte, um auch Inklusionsmaßnahmen in Gegenden abzudecken, wo kein oder zu wenig qualifiziertes Schulungspersonal verfügbar ist. Zudem ist die Koordinierungsstelle für Schulen, Eltern, Kommunale Ämter und Ärzte eine wichtige Ansprechstelle für alle Fragen zu den Maßnahmen.

Problem 1: Diese qualifizierte und etablierte Koordinierungsstelle soll nun ab 2024 laut den Plänen der Landeszentrale Gesundheit durch ein System vollständig abgelöst werden, in dem die Zentren im Vorhinein die vermutete Anzahl der nötigen Schulungsmaßnahmen und Klassenfahrtbegleitungen schätzen sollen (was völlig unkalkulierbar ist), und dies soll dann pauschal an das jeweilige Behandlungszentrum vergütet werden. Sollte sich am Ende des Jahres herausstellen, dass mit den benötigten Mitteln nicht ausgekommen wurde, soll man nochmal eine Meldung machen, und dann könne (!) finanziell nachgesteuert werden.

Problem 2: Die meisten dieser Schulungsmaßnahmen und Klassenfahrtbegleitungen werden durch freiberufliche oder nebenberufliche Diabetesberater*innen DDG ausgeführt. Diese haben diese Maßnahmen bisher direkt mit ProKid e.V. abgerechnet und wurden pro Maßnahme bezahlt. Das neue Verfahren würde dazu führen, dass diese freiberuflichen Fachkräfte sich von den Behandlungszentren, vor allem also Kliniken das Geld für diese Schulungsmaßnahmen auszahlen lassen müssen. Dies ist fernab der Realität. Verwaltungsstrukturen der Kliniken werden solche Prozesse nicht oder nur unter starkem Widerstand zulassen, und es wird schwierig werden, die in der „Freizeit“ geleistete Tätigkeit bezahlt zu bekommen. Viele freie Diabetesberater*innen haben bereits angekündigt, aus den Schulungsbetrieb für Schulen und Kindergärten auszusteigen, wenn dies tatsächlich so käme. Dies könnte die Versorgungsstruktur massiv verschlechtern, da kein geeignetes qualifiziertes Schulungspersonal mehr gefunden wird. Insbesondere im ländlichen Raum bricht die Versorgung zusammen.

Problem 3: Laut den vorstellenden Mitarbeiterinnen der LZG wird eine erneute Akkreditierung benötigt, um an dem Projekt teilzunehmen. Ein Schulungsprogramm bzw. festes Curriculum, wie es bisher zugrunde liegt (EduKids) wird nicht mehr vorausgesetzt. Die Durchführung der Schulung wurde sogar als „irrelevant“ bezeichnet, was für uns bedeutet: Die Schulung wird bezahlt, aber niemand kümmert sich um die Qualität! Das ist absolut inakzeptabel: Es geht hier um die Schulung von Fachpersonal in Kindertagesstätten und Schulen. Diese Mitarbeiter sind nur nach einer qualifizierten Schulung in der Lage, den Kindern bei der Dosierung des lebensnotwendigen Insulins zu helfen und in etwaigen akuten Notfallsituationen (schwere Unterzuckerungen und Stoffwechselentgleisungen) die notwenige Hilfe zu leisten.

Es ist bestürzend, dass dieses Referat seine Pläne weder mit den im Projekt Beteiligten noch mit dem eigens zu diesem Thema eingerichteten Runden Tisch vorab besprochen hat. Stattdessen werden vollendete Tatsachen geschaffen und als alternativlos bezeichnet. Es fehlt jede Wertschätzung für die geleistete Arbeit sowohl der diabetologischen Fachkräfte als auch der Koordinierungsstelle. Vor allem aber ist keine Bereitschaft erkennbar, die Betroffenen mitzunehmen und einvernehmliche Lösungen für eine selbstverständlich wünschenswerte Verstetigung des Projekts zu identifizieren.

Kinder mit Behinderung wie die Kinder mit Diabetes Typ 1 verdienen unsere volle Unterstützung, um ihre gesellschaftliche Teilhabe sicher zu stellen. Mit der geplanten Vorgehensweise wird diese Teilhabe aufs Spiel gesetzt und alle Inklusions-Fortschritte, die in den letzten Jahren durch das Projekt der Landesregierung erreicht wurden, riskiert. Anstatt auf bewährte Strukturen aufzubauen und diese zu verstetigen, werden bürokratische Hürden aufgestellt und die Qualität der Schulungsmaßnahmen verliert massiv an Bedeutung. Viele Schulungsfachkräfte werden aus dem Projekt aussteigen und die Koordination von Fachkräften kann nicht mehr sichergestellt werden.

Dies ist nicht tragbar und für die behinderten Kinder und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes und für ihre Familien eine Tragödie. Wenn Kinder mit Diabetes mellitus in Schule, Kindergärten und auf Klassenfahrten nicht mehr durch gut geschulte pädagogische Fachkräfte unterstützt werden können, wird ihre Teilhabe nicht mehr oder nur noch durch die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit eines Elternteils gewährleistet werden können. Und das kann nicht in Ihrem Sinne sein.

Für das laufende Jahr 2023 kommt noch hinzu, dass trotz vorheriger Zusagen der Referatsleitung nicht ausreichend Mittel im Jahr 2023 zur Verfügung stehen, um die Versorgung der Kinder sicher zu stellen. Das kann dazu führen, dass Eltern wieder ihren Job aufgeben müssen, um ihre Kinder zu begleiten, weil in Kita oder Schule kein geschultes Personal vorhanden ist. Es kann nicht sein, dass die weitere Versorgung dieser Kinder an ca. 20 - 30 tausend Euro scheitert, die vom zuständigen Ministerium entgegen allen Zusagen nicht bereitgestellt werden.

Lieber Herr Ministerpräsident, liebe Mitglieder des Nordrhein-Westfälischen Landtages, wir bitten Sie eindringlich, dieses Vorhaben zu stoppen und daraufhin zu wirken, dass das Referat seine Pläne modifiziert und an den Bedürfnissen der betroffenen Familien ausrichtet.

Die etablierte Koordinierungsstelle ProKid e.V. sollte dauerhaft weiterhin vom Land NRW beauftragt werden, die Anträge entgegenzunehmen, zu prüfen und zu begleiten. Abrechnungen sollten weiterhin direkt mit den Leistungserbringern erfolgen. Die Landeszentrale Gesundheit könnte lediglich als finanzielle und administrative Stelle fungieren, also die Aufsicht ausüben.

Wie bitten im Namen der Kinder mit Diabetes mellitus und ihrer Familien um Unterstützung bei unserem Anliegen und um weiteres Engagement zugunsten der kranken Kinder.

Zurück

Weitere Beiträge

Der Arzt fragte uns: „Ist Ihnen klar, dass ihr Kind sterben kann?“ ...

für die Spende Wirtschaftsjunioren Rhein-Ahr

Eine Trauerreise für Mütter, deren Kinder verstorben sind.