Interview

Meine Jungs haben sich Schritt für Schritt ins Leben gekämpft

Carina und ihr Mann Peter wünschen sich von Herzen Kinder. Auf natürlichem Weg will es nicht klappen, darum konsultieren sie eine Kinderwunschklinik. Dort stellt man fest, dass Carinas Eileiter verklebt sind. Ihre Chance schwanger zu werden liegt bei nahezu null Prozent. Eine anschließende Operation und künstliche Befruchtung zeigen sofort Wirkung. Carina wird schwanger mit Zwillingen. Ein Jahr später blickt sie zurück auf eine Zeit voller Höhen und Tiefen, denn ihre Kinder kommen als Frühchen zur Welt.

Wie verlief die Zwillings-Schwangerschaft?
Schon die ersten Wochen waren schwierig. Durch die notwendige Hormonbehandlung im Vorfeld der Schwangerschaft bekam ich eine Thrombose und Wassereinlagerungen in der Lunge. Ich lag eine Woche im Krankenhaus, weil meine Lunge punktiert werden musste, danach ging es mir schnell besser. Alle anschließenden Untersuchungen verliefen unauffällig und ich genoss die Schwangerschaft.

Was passierte dann?
Ich hatte einen Termin zur Pränatal-Untersuchung und auch diese zeigte zwei völlig gesunde Kinder. Alles schien perfekt. In der darauffolgenden Nacht, verlor ich plötzlich Flüssigkeit. Ich habe das nicht mit einem Blasensprung in Verbindung gebracht, denn für die Geburt wäre es viel zu früh gewesen. Meine Hebamme schickte mich sicherheitshalber ins Krankenhaus. Man behielt mich sofort da und zwei Tage später setzten die Wehen ein.

Wie haben Sie die Geburt erlebt?
Leider gar nicht, denn ich bekam eine Vollnarkose und die Zwillinge wurden per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt. Auch mein Mann durfte bei ihrer Geburt nicht dabei sein, was ich im Nachhinein immer noch sehr traurig finde. Ich selbst konnte meine Kinder nicht direkt sehen, weil es eine Weile dauerte, bis ich aus der Narkose aufwachte. Aber mein Mann saß neben meinem Bett und sagte mir, dass es den beiden gut gehen würde. Ich konnte erst einen Tag später zu ihnen.

Wie war der erste Augenblick mit Ihren Kindern?
Ehrlich gesagt schrecklich! In meiner Vorstellung wollte ich sie einfach nur in den Arm nehmen, riechen und berühren. Aber sie lagen in einem Kasten voller Kabel. Alles piepste, die ganzen Monitore um sie herum machten mir Angst. Die beiden waren so winzig und Leo benötigte zusätzlich eine Sauerstoffmaske, weil seine Atmung unterstützt werden musste. Aber alle Ärzt*innen und Krankenschwestern haben uns unsere Ängste Stück für Stück genommen. Wir haben uns auf der Station sehr gut aufgehoben gefühlt.

Wie ging es für Ihre Zwillinge Leo und Till weiter?
Sie lagen zwei Wochen auf der Frühgeborenen-Intensivstation und kamen danach auf die Frühchen-Station. Dort lagen sie noch einmal fünf Wochen und haben sich Schritt für Schritt ins Leben gekämpft. Es gab keine nennenswerten Komplikationen. Wenn ich unsere Situation mit anderen Frühchen-Eltern vergleiche, hatten wir wirklich großes Glück. Leo war anfangs durch viele Wassereinlagerungen sehr aufgeschwemmt und hatte Probleme mit dem Herzen, aber er bekam Medikamente und es ging ihm schnell besser. Wir hatten nie das Gefühl, dass es in ihrer Entwicklung nennenswerte Rückschritte gab. Wir haben uns über jedes Kabel, das nicht mehr gebraucht wurde, über jeden Monitor, der abgeschaltet werden konnte, gefreut und waren dankbar.

Wie sah Ihr Alltag mit zwei Frühchen aus?
Ich muss gerade sehr viel an die Zeit von damals denken, weil der erste Geburtstag der Zwillinge näher rückt. Grundsätzlich finde ich es nach wie vor unglaublich, dass man auch in Extrem-Situationen einfach funktioniert. Der schlimmste Moment war für mich, als ich die Klinik nach fünf Tagen ohne meine Kinder verlassen musste. Ich hatte mich so darauf gefreut, dass meine Kinder nach Hause kommen, aber als es dann endlich so weit war, überwog die Angst. Angst, dass sie krank werden, Angst, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung ist, Angst, dass ich etwas falsch mache. Zu Beginn hatte ich noch die Unterstützung meines Mannes, doch nach zwei Wochen musste er wieder arbeiten und ich stand vor einer neuen Herausforderung: Den Alltag alleine mit Zwillingen zu meistern. Ich war daher sehr glücklich über die Unterstützung des Bunten Kreis Rheinland. Die Nachsorgeschwester hat all meine Fragen beantwortet, mich bei Anträgen und Arztbesuchen unterstützt und mir Schritt für Schritt meine Ängste und Sorgen genommen. Ich musste vor allem lernen, dass ich nicht beiden Kindern zeitgleich gerecht werden kann.

Wie geht es Ihnen heute?
Wir leben einen ganz normalen Alltag. Wir sind mittlerweile sehr geübt im Umgang mit zwei aufgeweckten Jungs, die morgen ihren ersten Geburtstag feiern. Darauf freuen wir uns alle sehr.

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